room for humour
Press Archive 2000
Fürther Nachrichten, 2000, MARGIT LANGENBERGER
Menschenfresser und trinkende Könige
Sehnsucht nach fremden Welten: Hartmut Kuhnkes Bilder im Stadttheater changieren zwischen witzig-ironisch und versponnen-romantisch
Auf den norwegischen Lofoten herrscht meist diesiges Wetter. Geheimnisvolle Nebelschwaden hängen über dem See. Eine menschliche Gestalt steht am Ufer und schaut auf die Erscheinung, die über dem See schwebt. Es ist keine Spiegelung, sondern ein metaphysisches Phänomen. Der Mensch sieht sich dort draußen ein zweites Mal, oder seine Seele, die sich materialisiert hat.
Das jedenfalls ist der Inhalt eines Ölbildes des Malers Hartmut Kuhnke, der zurzeit im Stadttheater ausstellt. Kuhnke interessieren überwiegend magische, mystische Welten, Szenarien, bei denen der Betrachter die Seele baumeln lassen kann. Kuhnke hat sich drei Techniken und drei Themenbereichen – von witzig-ironisch über kritisch bis hin zu versponnener Romantik – verschrieben. Da sind zunächst seine spontanen, äußerst farbstarken Pastelle, die entstehen, „wenn schell etwas raus muss“, wie er sagt. Oft steht er dann nachts am Fenster, schaut ins schwarze Nichts hinaus, und plötzlich entsteht eine Idee. Eine ganze Reihe dieser Pastelle hat diesen nachtschwarzen Hintergrund, vor dem sich Gestalten aus der Troll- und Feenwelt tummeln. Seine Figuren kommunizieren miteinander, und öfter geht es darum, dass irgendeiner auf der Strecke bleibt, weil der andere der Stärkere ist.
Dann arbeitet er gerne mit Holzschnitten, was für ihn eine Art „Zwischending“ zwischen Öl- und Pastellmalerei darstellt. Hier fasziniert ihn das Handwerkliche, und von den einfachsten Blumenbildern bis hin zu komplizierten Kompositionen findet man sein gesamtes Repertoire in den Drucken wieder. Da ist zunächst der trinkende König mit seinem Hund: wenn er dann des Lebens überdrüssig wird, erhebt er sich einfach in die Lüfte (natürlich mit Hund), lässt Flasche, Krone und Hundekot auf der Erde zurück und entschwebt. Da ist die Darstellung des Menschenfressers, dem die Menschen sozusagen freiwillig in den Mund purzeln; „vor denen haben ich mich schon immer gefürchtet“, sagt Kuhnke, „es gibt einfach zu viel davon“.
Seine romantische Ader trifft in den Ölmalereien mit der Sehnsucht zusammen, sich eigene fremde Welten zu schaffen. In komplizierter Mehrschicht- und Lasurtechnik baut er hier Landschaften und Architektur zu einer teilweise surrealen Fantasiewelt auf. Mit den lichtstarken Lasuren will er erreichen, dass man sieht, wie die Luft regelrecht flimmert und schwingt. Und das gelingt ihm auch, zum Beispiel bei der „Auferstehung am la Roche-aux-Fees“. Das ist ein riesiges Hünengrab in der Bretagne, mit einem Megalith, unter dem sich das gesamte Feenreich, Kobolde und andere seltsame Wesen, umrahmt von dschungelartiger Fauna, versammelt haben.
Auf die Frage, ob man seine Welten als Erdenbürger auch betreten darf, sagt der Künstler nur: „Wer sie findet, darf sie auch betreten. „Wer jetzt auch noch den Weg ins Stadttheater findet, darf es wagen, die Ausstellung des Hartmut Kuhnke zu besuchen.