room for humour
Press Archive 1996
Fürther Nachrichten, 1996, ULRIKE KÖRNER
Poesie eines kosmischen Malers
Zwischen Heiterkeit und Melancholie: Die Ausstellung “Visionen” von Valery Konevin im Stadttheater

Wer in den Bildern des jüdischen Malers Valery Konevin eine Aufarbeitung der oft deprimierenden Geschichte des jüdischen Volkes erwartet liegt ziemlich genau falsch. Konevins Bilder, die anläßlich des 5. Internationalen Festivals des Jiddischen Liedes im Stadttheater zu sehen sind, zeigen die heiteren „polyglotten“ Visionen seines Mikrokosmos’.
Bereits 1992 stellte Konevin bei Siemens in Erlangen sein verträumtes Werk vor. (Der Elektronikkonzern unterstützte jetzt auch die Fürther Präsentation.) Parallel dazu begann sein „raketenartiger“ Aufstieg. Schlag auf Schlag wurde der „kosmische Reiter“, wie ihn Siemens-Sprecher Jim Broome in der Werkeinführung nannte, international bekannt. Die flachen, naiven wie farbig kraftvollen Ölarbeiten fesseln den Betrachter durch kindliche Direktheit und deren drängende Gestik.
Der 1952 geborene spröd-charmante „Luftikus“ entschied sich erst spät für die Malerei, obwohl er schon als kleiner Junge von seinem Großvater vortrefflich gefördert wurde. Der war Kinderbuchillustrator – was man im Werk Konenvins schwerlich übersieht.
Ein Ingenieurstudium weckte die Leidenschaft des Enkels für die Lufttechnik, und so verdiente Konevin sein Geld zunächst mit dem Bau von Raketen. Mitte der 80er Jahre brach er mit dem soliden Leben und startete seine Künstlerlaufbahn. Die intensive Auseinandersetzung mit der Raumfahrt prägte jedoch bald die luftige Malerei.
Drei Perioden bestimmen das Werk des gebürtigen Leningraders. Die Fürther Ausstellung konzentriert sich weniger auf die gänzlich ungegenständliche Anfangsphase als vielmehr auf die folgenden zwei Perioden. Die Veränderung findet fließend statt, mehr und mehr bestimmt die Figuration den Bildaufbau. Konevin wendet sich wieder dem menschlichen Umfeld in nächster Nähe zu. Der unübersehbare Spaß an der Farbleuchtkraft lassen die Bilder intuitiv und spontan wirken.
Lange, überstreckte Gliedmaßen streben raketenhaft nach oben. Schwebend, schwerelos und vom Wind geformt sind die Figuren. So fliegt in „the flying child“ ein Kind durch das grelle Himmelblau. Eine Hommage an den ersten Beruf?
Konevins poetische Motivwelt erinnert an den russischen Maler Marc Chagall, der oft als der „fliegende Künstler“ bezeichnet wird. Der heute in Israel lebende Konevin stellt seine Bildwelt ebenso auf den Kopf. Person und Raum werden in Frage gestellt.
Auch in der russischen Ikonenmalerei erscheint die fliegende Figur immer wieder. So wird man hier mit der persönlichen Sichtweise des Künstlers wie mit einer fremden, anderen Kultur konfrontiert. Starke Dramatik, gleichartig zum jiddischen Lied, das Wechselbad zwischen Trauer und Freude, Heiterkeit und Melancholie wird zum Grundtenor.
In der aktuellen dritten Phase entwickelt Valery Konevin eine kindlich provokative Bildsprache. So ist sein zuletzt entstandenes quietschfarbenes Bild nur noch – oder wieder – mit den Fingern gemalt. Platt und oberflächlich wird der Farbauftrag. Knallrosa und Hellblau dominieren die schrägen Schemen. Man gewinnt die Figuren irgendwie lieb.
Auffallend sind die grellen, zusammengepressten Lippen: Gerade dadurch entsteht ein eindringlicher Dialog mit dem Betrachter. Offen, fragend, direkt wirken die Gesichter. Erschreckt und ängstlich blicken die großen Augen - man fühlt sich unruhig, berührt. Die übertrieben fröhlichen Bilder erinnern an spielende Kinder, die sich belanglos bunte Bälle zuwerfen.