room for humour

Press Archive 2012

Read article

Fürther Nachrichten, 29.03.2012, CLAUDIA SCHULLER

 

Die liebe Not des Drachen mit der Kopfpauschale

Verspielt und treffsicher: Anjo Haases ironische Collagen kennen keinen Respekt vor den Heroen der Kunstgeschichte

Sein Name ist Haase: Der Fürther Zeichner hat’s auf berühmte Kunstwerke abgesehen. Foto: Th. Scherer

FÜRTH - Vincent van Goghs Sonnenblumen stehen auf Bienen und plaudern locker darüber. Henri Fantin-Latours Obst fault auf seiner Schale vor sich hin und jammert: „Scheiße, jetzt habe ich eine Stelle“. Solche Sorgen hat jenes Gemüse nicht, das auf einem flirrenden van-Gogh-Feld eine Demo vom Zaun bricht. Die Karotten und Gurken fordern: „Esst mehr Fleisch!“ So sieht der Humor von Cartoonist Anjo Haase aus — aktuell zu erleben in der Sparkassen-Zentrale in der Maxstraße.

 

Mit Vorliebe schnappt sich Anjo Haase berühmte Kunstwerke, verfremdet sie ein wenig und lässt sie in einen Dialog mit der Gegenwart treten.



Da erläutert Haase anhand von Giovanni Bellini, wie die Verhütung um 1500 funktionierte: anscheinend mit Kugeln, so groß wie ein Wasserball. Doch diese Pillen wirken nicht, wie der Fürther Künstler einer aparten Dame in den Mund legt. Drachen haben ihre liebe Not mit der Kopfpauschale –, wenn man gleich sieben Stück davon hat – und über Caspar David Friedrichs romantischen, bedeutungsschweren Wolkenhimmel fliegen Eisautos. Eine neblige, transzendente Gebirgslandschaft des Meisters wird konterkariert mit der Unterzeile „Diese EU-Gipfelkette ist eine fantastische Aussicht“.

 

Nein, religiös oder gar mystisch eingeordnet ist Herr Haase wirklich nicht. Darum postiert er Jesus auch unschlüssig vor einem Schild, das den Weg ins Diesseits weist. Auch Nürnbergs Ikone Albrecht Dürer kriegt ihr Fett weg: Der Hase muss sein, schließlich handelt es sich um einen Fast-Namensvetter des Cartoonisten. Nur, dass das Vieh bei ihm auf zerbröselnder Erde sitzt und der Untergrund Risse hat. Was das leidige Selbstbildnis im Pelzrock betrifft, hat Haase ein dickes Waschbärfell darüber drapiert.

 

 Die Fotocollagen sind perfekte, matt schimmernde Digitaldrucke und werden von hochwertigen Handsiebdrucken ergänzt. Auch moderne Comics sind in der Ausstellung, die John Hammonds Art-Agency in den Räumen der Sparkasse präsentiert, mit dabei. Eine Biene macht sich Gedanken, wo ihre Freunde sind, eine andere antwortet „Alle im Netz“, worauf die Spinne darunter grinsend äußert „Gefällt mir“. So geht es zu in den digitalen und realen Welten. 

 

Der preisgekrönte Fürther Künstler ist zeichnerisch nicht der Stärkste; seine ironischen Anmerkungen zu den Klassikern der Malerei aber, seine süffisanten Seitenhiebe, seine sprechenden Titel treffen. Wenn Haase alte Werke frech benutzt und in neue Zusammenhänge stellt, nimmt er damit ein Früher aufs Korn, das aus heutiger Sicht etwas lächerlich geworden ist. Doch er will nicht zerstören, ist kein Rebell, sondern respektiert seine Vorlagen und ihre Schöpfer. Haase geht es vielmehr darum, seinen Senf zur gesellschaftlichen Moral abzugeben. Und diese Kommentare sind erhellend, gerade im historischen Vergleich, wenn man Veränderungen über die Jahrhunderte hinweg betrachtet.