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Fürther Nachrichten, 1997, SABINE DIETZ

 

Der Sensenmann geht zuletzt

„Der letzte Vorhang“: ein bissig-witziger Kommentar der Künstlergruppe „Cartoonage“ zum Theateralltag

Pfiffe vom Komponisten: Bei Peter Kaste hat der Beethoven-Interpret kein leichtes Spiel. Der Meister höchstpersönlich (unten rechts) sitzt im Publikum und pfeift. Foto: Kögler

Am 16. Februar feiert der Comic-Strip Geburtstag. Genau 100 Jahre liegt dann der Tag zurück, an dem der New Yorker Zeitungsverleger Joseph Pulitzer den Lesern der Sonntagsbeilage seiner New Yorker World die erste Folge von Richard Felton Outcaults Serie „The Yellow Kid“ präsentierte. Der Termin gilt als Geburtsstunde des Comic-Strip und zwar nicht unbedingt deshalb, weil es vorher noch keine vergleichbaren Bildergeschichten gegeben hätte, sondern weil die Serie ein sensationeller Erfolg wurde.

 

Allerdings ist es nicht dieses Jubiläum, das die Zeichner- und Karikaturisten-Gruppe „Cartoonage“ zum Anlass für ihre Ausstellung im Stadttheater genommen hat. Ihr Thema ist ein anderes, jedoch nicht weniger aktuelles: „Der letzte Vorhang“ heißt die Schau der zehn Zeichner aus dem Nürnberger Großraum, die sich zusammengeschlossen haben, um gegen das branchenübliche Einzelkämpfertum anzugehen und deren Cartoons auch in regionalen Zeitungen Furore machen.

 

Der Titel bezieht sich auf das Motto der Theatersaison 1996/97: „Spiel-End-Zeit“. In den Comics an den Wänden findet sich der Alltag des Theaterbetriebs in überspitzter Form dargestellt. Titel und Sprechblasen helfen den satirischen Rundumschlägen und dem Betrachter auf die Sprünge.

 

In Anlehnung an Uli Steins Cartoonwelten und Zeichenduktus sind Peter Kastes Comic-Helden der Tierwelt entnommen. Schwäne hängen, sich schief lachend über die Ballerina und ihre Qualitäten als Sterbender Schwan, in den Rängen. Der Theateralltag findet sich bei dem Erlanger als pointierter Witz im Bilderrätsel: Versteckt im Publikum etwa pfeift Beethoven den Interpreten seiner Werke am Flügel aus.

 

Harald Kretzschmar, Berliner Gast-Mitgleid von „Cartoonage“, kanzelt Nacktszenen ganz vordergründig als Abart zeitgenössischer Theater-Mach-art ab. Ein Netzwerk von Kabeln zwischen Sender-Logos unterlegt er mit dem Satz “Erst die Verkabelung bringt dem Autor den richtigen Aufhänger für seine Kunst“. Und der hat sich im Gestrick der Tele-Medien erhängt: Sinnbild für ein Kulturgeschehen, das dem Erschaffer literarischer Werke den letzten Platz zuweist. Vorne sitzen die Kulturvermarkter.

 

Niedergebügelt

Tragikomisch sind die Szenen des Plärrer-Zeichners Gerd Bauer. Can-Can-Tänzerinnen bügelt der Bühnenvorhang nieder. „Glachd hommä“, titelt Bauer eine Szene mit zwei Polizisten über einem in einer Blutlache liegenden Clown. Bauers Knollennasenmännchen ähneln denen Gerhard Seyfrieds, womit sich der Nürnberger in einer langen Tradition wiederfindet. Seyfrieds Comic-Figuren zählen zu den meistgeklauten und durften in den 70er Jahren in keiner Stadtzeitung fehlen.

 

Mario Ferraris feinkonturierte Rundlinge gleichen sich dem Stile Loriots an und machen sich auch dessen unspektakulären Humor zu eigen. So grüsst hinter manchem Werk das zeichnerische Vorbild.

 

Harald Hofmockel variiert das „Casablanca“-Zitat „Schau mir in die Augen, Kleines“ in 24 kleinformatigen Szenen und feiert gleichzeitig die Welt der Comic-Zeichner ab: Humphrey Bogart und Ingrid Bergman als Tim und Struppi, Popeye und Olivia, Mickey und Minnie Mouse oder E.O. Plauens Vater und Sohn. Dabei bleiben die zahllosen Variationen auf gestalterischer Ebene noch unberücksichtigt.

 

Der Gag in Roy Vidals Arbeiten verbirgt sich hinter der Bildidee: Zwei Exponate mit dem Titel „Moloch und keiner geht zu Fuß“ zeigen einen glitzernden Hochhausdschungel mit endlos aneinandergereihten Scheinwerferpaaren. Aus der Nähe entpuppen sich die Motive der flirrenden Collagen als PC-Tastaturen, elektronische Bauteile und digitale Anzeigen.

 

Die Karikaturisten kleben nicht am vorgegebenen Sujet, und Arbeiten wie Uwe Gerhardts emotionsgeladene und abstrakt expressive Seelenporträts in der Machart eines Arnulf Rainer sind nur schwerlich unter dem „Endzeit“-Motto subsumierbar. Gleiches gilt für Werner Kochs Gesellschaftskritiken. Ein Werk von Andreas Floris stand Pate für den Titel der Schau. Sein „“Letzter Vorhang“ zeigt eine düstere Vision. Ein Sensenmann hat sich als einziger Zuschauer im Theaterrund niedergelassen. Allein aus dem Souffleurkasten leuchtet helles Licht. Doch derart bedeutungsschwanger sind die wenigsten der Exponate, und das ist gut so. Floris’ pathetischer Blickwinkel gibt nicht den Grundton der Schau wieder. Der ist eher ausgesprochen witzig.